Ostschweizer Alpenpässe

21.8. - 28.8.1999

1. Tag (Samstag)

Pünktlich um 0700 Uhr verließen wir die Heimat, um über den großen Gegenverkehrsbereich - auch bekannt als Westautobahn - nach Salzburg zu fahren. Von dort ging es weiter über's große Deutsche Eck (da war nur eine Stunde Verkehrsstillstand, also quasi nix los), durch Tirol, vorbei am Samnauntal in die Schweiz. Kurz nach dem Grenzübergang bei Martina/Martinsbruck (zwischen dem österreichischen und dem Schweizer Grenzposten sind einige Kilometer Straße im Niemandsland) hatten wir einen wunderbaren Blick auf den Finstermünzpass, den wir 1996 im Zuge unserer Tour Passstraßen Westösterreichs befahren hatten.
Nicht weit nach der Grenze schlugen wir in Crusch im Unter Engadin auf 1124m direkt am Inn unsere Zelte auf, besser gesagt, stellten wir nur unser Auto ab und genehmigten uns den ersten Manöverschluck.
Trotz des schönen Wetters war es auf Grund der Höhenlage in der Nacht ziemlich angenehm, eine Gasstandheizung mit elektronischem Thermostat zu haben.


Blick aus der Schweiz auf den Finstermünzpass (A)

2. Tag (Sonntag)

Nachdem das erklärte Ziel dieses Urlaubs das Befahren von möglichst vielen Alpenpässen war, begannen wir sofort, dieses Ziel in die Tat umzusetzen. Wir starteten unsere Rundfahrt mit einem Abstecher ins Samnauntal, wozu wir erst einmal aus der Schweiz ausreisten und dann über die steile und enge Straße entlang des Schergenbachs in die zollfreie Zone fuhren. Diese Straße bot übrigens einen leichten Vorgeschmack auf die engen Kehren und einspurigen Tunnels, die wir im Laufe der Woche noch befahren sollten.
Wir machen einen kurzen Halt, um die alte Straße, die mittlerweile durch einen Tunnel ersetzt wurde, zu besichtigen.
Nachdem wir bis ans Ende des Tales gefahren sind, kehrten wir ohne eingekauft oder getankt zu haben um und fuhren bei Spiß die andere Straße aus dem Samnauntal hinaus. Der misstrauische österreichische Zöllner dort hat mir irgendwie nicht geglaubt, dass wir nicht einkaufen oder tanken waren, ja er hat sogar gefragt, ob wir einen Reservekanister (sic!) angefüllt hätten. Vor meinem geistigen Auge habe ich uns schon das Auto unter der Kontrolle eines Zollwacheorgans ausräumen gesehen, er hat uns aber dann doch noch unbehelligt ins "heilige Land Tirol" einreisen lassen.
Angesichts gerademal fehlender 15 Liter im Dieseltank war mir das zollfreie Tanken wirklich zu dumm, das Rauchen habe ich aufgegeben, daher habe ich auch kein Interesse an noch so billigen Zigaretten. Und die Schachtel Zigarillos die ich pro Monat in Rauch umsetze, kann ich mir um den normalen Preis von 86,- auch gerade noch leisten. (Im Übrigen weiß ich nicht, warum ich nicht Tanken hätte dürfen, ist aber eh egal)
Weiter ging es beim schon gestern benutzten Grenzübergang wieder aus Österreich hinaus, und kurz darauf bei der Norbertshöhe ("Wasch bringen Sie mit ?" - "Nix") wieder nach Österreich hinein und hinauf zum Reschenpass, über den eben genannten ohne Kontrolle nach Italien hinein und um den Reschensee herum hinunter ins Trafoier Tal, wo wir kurz vor der Schweizer Grenze unsere Mittagspause an einem lauschigen Bach hielten. Besser gesagt: halten wollten, denn ein Bremsengeschwader hat uns nach fünf Minuten wieder von dort vertrieben und so beschlossen wir weiterzufahren und einen anderen Platz aufzusuchen.
Da war dann auch schon der Grenzübergang Müstair und - Glücksritter wie wir sind - standen wir nach Aufforderung durch den Schweizer Zöllner auch schon auf einer eigenen Fahrspur und es begann folgender Dialog:

Zöllner: "Haben Sie das Fahrzüg, schelbscht umgebaut ?
/me: "Nein, das hat eine Firma gemacht "
Zöllner: "Der schaugt so schwer aus"
(Ich habe mir die Frage verkniffen, wie man das sieht, zumal unser Transit nicht beängstigend "in den Federn gehängt" ist, sondern habe geantwortet:)
/me: "Das Fahrzeug hat eine eigene Typisierung"
Zöllner: "Geben Sie mir bitte die Fahrzeugpapiere und fahren Sie auf diese Waage"
/me: "Bidde sehr"
(/me in Gedanken: "Oida geh sch**ssn, i hob an Hunger")
Nach fünf Minuten kommt das Organ mit den Worten:
Zöllner: "Der isch um fünf Protschent zu schwer"
/me (nun auch in Dialekt verfallend): "Und wos haast des ?"
Zöllner: "Fünf Protschent werden gerade noch toleriert, aber eigentlich isch er zu schwer ..."
/me: "Aha, wie schwer in Kilogramm ?"
Zöllner: "Um 5.01 Protschent zu schwer"
/me: "Danke, i rechen ma's söba aus. Habe die Ehre"

Rein ins Auto und: Gaaaas
Was wir gemacht hätten, wenn er uns nicht einreisen hätte lassen ? Ganz leicht: Schweizer Franken in Lire umwechseln und den Urlaub in Südtirol verbringen.

So, aber jetzt ab durch's Val Müstair in Richtung Ofenpass (2149m). In der Mittagspause zählen wir die vorbeifahrenden Motorräder und mir kommen fast die Tränen, weil mein Motorrad daheim steht ...
Der Weg vom Ofenpass hinunter durch den Nationalpark schließt unsere heutige Runde fast zur Gänze und wir campieren in Zernez auf 1475m wieder direkt am Inn.


Die alte Straße ins Samnauntal

3. Tag (Montag)

Ein Tag ohne Grenzübertritte ! Daher keine Zoll- oder Gewichtskontrollen. Einfach Passstraßen pur ...
Über den Flüelapass (2383m) hinunter nach Davos und dann gleich wieder rauf auf den Albulapass (2321m), an St. Moritz vorbei (wir hassen bekannterweise ja Touristenfallen) bis zum Silser See, wo wir auf 1820m nahe des Sees campieren und am Abend im Restaurant eine Pizza essen. Restaurant ist ein bisschen übertrieben, es gab gerade mal drei Tische, aber die Pizze vom Holzofen (der gerade bei unserer Ankunft angeheizt wurde) waren wirklich fantastisch.

Flüelapass

Albulapass

4. Tag (Dienstag)

Nach einer kühlen und durchheizten Nacht ging es von der unspektakulären Nordseite des Malojapasses (1815m) über die zahlreichen Kehren der Südseite wiedereinmal hinunter nach Italien und von Chiavenna über die unzählbaren Kehren und durch die einspurigen Tunnels hinauf auf den Splügenpass (2113m).

Malojapass

Chiavenna

Der Grenzübergang in die Schweiz kam in Sicht und wir sahen sofort mit Begeisterung, dass es dort keine Waage gab! Ha, es konnte uns also nichts passieren. Im Schritttempo fuhren wir hinter einem Transporter in den Grenzübergang ein, konnten aber keinen Grenzbeamten erkennen. Sicherheitshalber hielt ich neben dem Transporter an und wurde von dessen Lenker angesprochen und gefragt, ob ich oben am Pass auch den weiter unten fahrenden LKW fotografiert hätte. Zuerst dachte ich, er meinte seinen Wagen, dann erklärte er mir aber, dass er gerne ein Foto von dem wesentlich größeren LKW, der sich vor uns befand, hätte, da es das erste Mal sei, dass ein LKW in dieser Größe diesen Pass befahren hätte. "Kein, Problem", sagte ich, "ich kann ihnen das Bild auch per email schicken, wenn Sie wollen". "Die Idee ist gut", entgegnete er, "aber dort, wo ich wohne, in dem Tal, das Sie gerade heraufgefahren sind, haben wir nicht einmal Strom, geschweige denn einen Internetanschluß. Nur im Winter wohnen wir ganz unten im Tal, im Sommer bewirtschaften wir eine kleine Berghütte hier oben. Wenn Sie wieder einmal hier sind, kommen Sie vorbei und wir trinken zusammen eine Flasche Weißwein".
Na gut, überzeugt, ich ließ mir seine Postadresse geben und versprach, einen Abzug zu schicken. Zum Dank schenkte er uns eine Flasche Grappa, die wir erfreut annahmen. Die wird bei uns sicher nicht schlecht werden (Manöver gibt es ja viele auf so einer langen Reise...)
Kurz unterhalb der Grenzstation hielten wir eine ausgedehnte Mittagspause mit wunderbarer Aussicht auf das Surettahorn (3027m).

Splügenpass Südseite (I)

Splügenpass Südseite (I)

Blick nach Norden auf die Grenzstelle am Splügenpass (CH)

Surettahorn, 3027m

Über Splügen und Nufenen ging es nach Hinterrhein. Anstatt den Straßentunnel zu befahren wählten wir selbstverständlich den Weg über den Passo di San Bernadino, der mit seinen 2065m für uns ja nur ein "Hügerl" war. Durch das Valle Mescolina ging es hinunter in den Süden bis Bellinzona, wo wir in Claro im Kanton Tessin bei wunderbarem Klima gleich in den campingplatzeigenen Pool hüpften und bei herrlicher Aussicht auf die Berge und einen steilen Sturzbach im Wasser planschten. Weil Schwimmen so hungrig macht und das Wetter so toll war, wurde der Griller angeheizt und nach dem Verzehr von kräftigen Grillkoteletts schliefen wir statt mit Heizung bei offenen Fenstern.


Unser Junior als Grillmeister

5. Tag (Mittwoch)

Auf dem Weg zum St. Gotthard war ich beim morgendlichen Lebensmittelnachschub im Supermarkt froh, dass ich vor einigen Jahren zweieinhalb Semester Italienischkurs auf der Volkshochschule besucht hatte. In diesem Teil der Schweiz wird nämlich hauptsächlich Italienisch gesprochen. Also "un etto di Mortadella, per favore..."
Den St. Gotthard (2108m) befuhren wir zum Teil auf der neuen, zum Teil auf der alten, gepflasterten(!) Straße. Vom Scheitelpunkt des Passes fuhren wir wieder ein Stück der alten Straße hinunter ins Val Tremola, das zitternde Tal...

St. Gotthard von Süden

Blick auf die alte Straße auf den St. Gotthard (Val Tremola)

Durch Andermatt ging es weiter Richtung Norden auf den Sustenpass (2224m). Hinter einigen deutschen "Bergkönigen" im Mercedes (im Winter sicher mit Hut, Mantel und Handschuhen im Auto unterwegs), schafften wir es über die wunderschöne Strasse auf die Passhöhe. Zum ersten Mal lag auf einer Straße noch Schnee! Verspielt wie wir sind, machten wir gleich einmal eine kleine Schneeballschlacht und hielten nachher unsere Mittagspause mit Blick auf das Sustenhorn (3503m) und dessen Gletscher.

Sustenpass Südseite

Sustenpass (2224m)

Mittagspause am Sustenpass

Kitschig schöner Ausblick auf das Sustenhorn (3503m)

Vorbei an der Aareschlucht fuhren wir weiter nach Interlaken, wo wir uns am Abend in Beatenbucht im Thunersee auf 560m abkühlten. Eingekeilt zwischen einer deutschen Großfamilie und einem Paar aus Großbritanien überstanden wir die Nacht auf dem krachvollen Campingplatz und weiter ging es am

6. Tag (Donnerstag)

nach Grindelwald, wo sich der Eiger pünktlich für unsere Aufnahmen in Wolken hüllte. Den Plan, mit der Bahn aufs Jungfraujoch zu fahren, hatten wir schon am Vorabend aufgegeben, nachdem wir feststellten, dass sich dieser kleine Ausflug mit ATS 2500,- zu Buche geschlagen hätte. Wenn wir auf einen Gipfel wollen, dann machen wir das meist zu Fuß, wie u.a. dem Reisebericht aus Südtirol zu entnehmen ist.
Noch einen schnellen Abstecher ins andere Tal nach Stechelberg; dahinter liegen Wengen und das Lauberhorn, das sicher all jenen bekannt ist, die sich für den Hundertstelsekundenunterschied beim Schifahren interessieren.
Ein Tag ohne Pass ist ein verlorener Tag, daher ging es hurtig hinauf auf den Grimselpass (2165m), wo wir noch schnell Käse und Würstel bei einer fliegenden Händlerin besorgten. Bei eher bescheidenem Wetter hielten wir unsere Mittagspause zum ersten Mal im Fahrzeug. Diesmal beneidete ich die Motorradfahrer nicht, denn es schüttete heftig ...

Stausee am Grimmselpass

Nebel am Grimselpass ...

Mittagspause am Grimmselpass

Grimmselpass Ostseite, links Rhônegletscher, rechts Furkapass

Im Regen fuhren wir hinüber auf den Furkapass (2436m), der sich als höchster von uns befahrener Pass bei dieser Tour verewigen wird. Das Wetter war so schlecht, wie der Pass hoch ist ...

Blick vom Furkapass auf den Rhônegletscher

Unser höchster Pass

Nun noch durch Andermatt (diesmal von Westen nach Osten) auf den Oberalppass (2040m), wo uns auf der Steigung fast die Zahnradbahn überholt hätte...
Übernachtet haben wir dann auf einem netten naturbelassenen Campingplatz im Val Medel bei Disentis/Mustér an der Straße zum Lukmanierpass, im rätoromanischen Teil der Schweiz. Leider war das Wetter schlecht, daher mussten wir wiedermal im Auto essen.


Campingplatz bei Disentis/Mustér

7. Tag (Freitag)

Von Disentis/Mustér fuhren wir über Chur, Liechtenstein durch den Arlbergtunnel (den Pass kennen wir schon von Passstraßen Westösterreichs) bis nach Kufstein, wo wir übernachteten und am

8. Tag (Samstag)

nach Hause fuhren. Eigentlich vorerst nur bis 5km vor Kaltenleutgeben, weil in der Kurve zur Sulzerhöhe war dann der Diesel aus (§$%&!). Dabei schwöre ich beim Augenlicht meiner Großmutter, dass bei der Tankstelle in Alland, die wir kurz vorher passiert hatten, die Nadel der Tankanzeige noch nicht im roten Bereich war. Aufmerksame Leser wissen vieleicht, dass ich schon 1997 bei der Heimreise von der Côte d' Azur zu blöd war, um rechtzeitig zu Tanken. Naja, jetzt weiß ich immerhin, dass man nur die Leitung zu den Einspritzdüsen aufschrauben muss, um die Pumpe zu entlüften... Starten bis der Diesel fließt, zuschrauben, fertig. Einfach, oder?


Ohne Diesel 5km vor der Heimat

Erfahrungen:

Mit Diesel geht's leichter! Vieleicht merke ich mir's jetzt endlich, dass rechtzeitiges Tanken wichtig ist.
Und sonst ? Also:
Die Schweiz ist - nach Skandinavien - die zweite mir bekannte Freiluftapotheke. Genug Geld mitzuhaben ist genauso wichtig wie Diesel. Dafür bekommt man aber wunderbare Natur, hohe Berge, tolle Pässe und meist saubere Campingplätze geboten. In hohen Lagen kann eine Standheizung in der Nacht nicht schaden, wir sind aber andererseits auch tagsüber in kurzen Hosen in der Sonne gelegen. Mehr als zwei Pässe pro Tag sind nicht stressfrei zu schaffen; unser Tageskilometerschnitt war ungefähr bei 150. Im Süden der Schweiz (Tessin) sind rudimentäre Italienischkenntnisse von Vorteil.
Straßen, die in anderen Ländern als Mautstraßen geführt werden, weil sie so "toll" sind, bekommt man hier umsonst. Achtung auf die autofahrenden "Bergkönige" aus dem flachen Land, mit 70PS und 2,2t sind diese oft nervenaufreibend, weil unüberholbar.


This page was last updated on: 26.06.2007